Happy Birthday – drei Jahre Betroffenenberatung Niedersachsen

(Foto: Lidya Nada auf Unsplash)

Vor drei Jahren hat die Betroffenenberatung ihre Arbeit aufgenommen. Seitdem hat das Team mehr als 500 Menschen beraten, die rechte Gewalt erlebt haben. Auch Ragna Joost ist Beraterin bei der Betroffenenberatung. Im Interview erzählt sie von ihrer Arbeit, ihrer Motivation und ihren Träumen.  

Ragna, vor drei Jahren ist die Betroffenenberatung gestartet. Wieso braucht Niedersachsen eine Beratungsstelle, die auf rechte Gewaltopfer spezialisiert ist?

Wir bemerken einfach einen enormen Wandel im gesellschaftspolitischen Klima. Eine Normalisierung von rechter Gewalt. Die Betroffenenperspektiven bleiben dabei weiterhin oftmals unsichtbar.

Dafür braucht es einfach spezialisierte Beratungsstellen, die sich diesem Wandel entgegenstellen und für Betroffene da sind. Wir brauchen spezialisierte Berater*innen, die sensibilisiert sind auf Diskriminierungserfahrungen.

Darüber hinaus brauchen wir hier im Land ein gutes Monitoring, denn rechte Gewalttaten werden zu selten von den Behörden erfasst und erkannt. Auch dafür brauchen wir eine Beratungsstelle, die genau das macht und die als Lobby für Betroffene fungiert.

Du berätst Menschen, die zum Teil schwerste Gewalterfahrungen machen. Warum hast du dich für diese Arbeit entschieden?

Für mich als weiße Person ist die Arbeit in der Beratungsstelle eine wichtige berufliche Möglichkeit, um Betroffenenperspektiven zu stärken. Die Gesellschaft und das Justizsystem blicken sehr häufig nur auf die Täter*innen. Die Betroffenenperspektiven werden dabei vernachlässigt. Das wollte ich ändern und Betroffene auch konkret unterstützen.

Was sieht dein Alltag in der Beratung aus?

Unser Alltag ist sehr vielfältig. Priorität hat immer die Beratung von Betroffenen. Und die Unterstützung beim Kontakt mit Polizei, Justiz, Therapeut*innen oder Ärzt*innen. Nebenher netzwerken wir auch, recherchieren und machen Monitoring.

Wir bereiten auch Veranstaltungen vor oder werden zu Vorträgen eingeladen. Wir bilden uns ständig weiter und machen Lobbyarbeit. Wir müssen zudem aktuelle Situationen analysieren, um Gefährdungslagen gut einschätzen zu können und Betroffene kompetent beraten zu können.

Gibt es Geschichten von Betroffenen, die dich besonders bewegt haben?

Für mich ist es immer sehr bewegend, wenn wir Menschen sehr lange beraten und begleiten. Gerade Personen, die rassistische Gewalt erfahren, erleben so oft auch noch eine Täter-Opfer-Umkehr durch Polizei oder Justiz. Das heißt, den Betroffenen werden die Schuld oder die Verantwortung für Angriffe zugeschrieben.

Wenn ich diese Personen lange begleite, entwickeln sich oft auch enge Bindungen. Das ist immer sehr berührend für mich.

In deiner Arbeit erlebst du oftmals frustrierende und herausfordernde Situationen. Was motiviert dich weiterzumachen?

Ich möchte der Ungerechtigkeit, die die Betroffenen erfahren, etwas entgegensetzen. Es gibt leider eine strukturelle Vernachlässigung der Menschen, die Rassismus oder rechte Gewalt erfahren. Das ist sehr schlimm. Und das treibt mich an.

Zudem bin ich berührt von den Rückmeldungen der Betroffenen. Ich merke, dass Menschen dankbar sind, wenn sie von uns unterstützt werden. Ich erlebe da oft viele Emotionen. Besonders berührend war zum Beispiel, dass ein Ratsuchender uns zur Jahreswende eine kleine Notiz und Geschenke im Büro hinterlassen hat.

Was wünscht du dir für die Zukunft der Betroffenenberatung?

Ich wünsche mir mehr finanzielle Mittel für unsere Arbeit, weil wir oftmals an der Belastungsgrenze arbeiten. Wenn wir uns größer aufstellen könnten, könnten wir noch mehr Betroffene unterstützen. Das wäre total toll.

Als Utopie wünsche ich mir insgesamt mehr Solidarität im Kampf gegen rechte Gewalt. Und ich wünsche mir, dass die Perspektive der Betroffenen endlich gesehen und ernst genommen wird.

 

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Marie Kortmann
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