Nach tödlichen Schüssen: Betroffenenberatung fordert lückenlose Aufklärung

(Foto: Clay Banks/Unsplash)

Nach den tödlichen Schüssen der Polizei auf den Gambier Lamin Touray in Nienburg fordert die Betroffenenberatung eine lückenlose Aufklärung. Sie schließt sich damit den Forderungen des Flüchtlingsrats an. Die Berater*innen bieten dem Umfeld des Betroffenen Hilfe an.  

„Wir möchten nochmal ausdrücklich allen Menschen, die durch diesen Fall betroffen sind, unsere Unterstützung anbieten. Sie können sich gerne bei den geschulten Kolleg*innen in Nienburg melden“, sagt Marie Kortmann, Pressesprecherin der Beratungsstelle.

Das Beratungsteam ist bereits mit Menschen aus dem Umfeld des Verstorbenen in Kontakt. „Das Team hilft zum Beispiel durch Gespräche, das Erlebte emotional aufzuarbeiten. Sie können auch bei der Suche nach Ärzt*innen oder Therapeut*innen unterstützen“, so Kortmann.

Nicht nachvollziehbar, warum er sterben musste

Die Betroffenenberatung fordert, die Todesumstände von Lamin Touray umfassend und lückenlos aufzuklären. „Für uns ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum der Einsatz in Nienburg derart eskaliert ist und Lamin Touray sterben musste“, sagt Marie Kortmann.

Laut Medienberichten veröffentlichte die Staatsanwaltschaft jetzt Auswertungen der Bodycam-Aufnahmen von dem Einsatz. Demnach würden die Aufnahmen zeigen, dass Lamin Touray einen Polizisten mit einem Messer angreife. Das Beratungsteam wundert sich, dass einzelne Ermittlungsergebnisse veröffentlicht werden.

War es nötig, acht Mal auf Lamin Touray zu schießen?

„Wir stellen uns weiterhin die Frage, ob es nötig war acht Mal auf Lamin Touray zu schießen. Und ob 14 Beamt*innen nicht in der Lage sein sollten, eine solche Situation anders zu entschärfen, zum Beispiel indem eine psychologische Fachkraft hinzugezogen worden wäre“, so Kortmann weiter.

Außerdem habe die Freundin Tourays offenbar angeboten, ihn zur Kooperation mit der Polizei zu bewegen. „Wir fragen uns, warum ihr dies verwehrt wurde“, sagt Marie Kortmann.

95 Prozent der Verfahren gegen Polizist*innen werden eingestellt

Die Staatsanwaltschaft Verden ermittelt jetzt in dem Fall. „Wir würden uns wünschen, dass in solchen Fällen nicht Polizist*innen gegen Polizist*innen ermitteln, sondern eine unabhängige Stelle“, sagt Marie Kortmann. Verfahren gegen Polizist*innen werden in mehr als 95 Prozent der Fälle eingestellt.

„Außerdem beobachten wir, dass die Berichterstattung bisher eher unkritisch und wenig investigativ gelaufen ist“, sagt die Pressesprecherin. Viele Redaktionen haben die Informationen der Behörden übernommen – ohne sie zu hinterfragen.

Viele Fragen an Sicherheitsbehörden weiter offen

„In diesem tragischen Fall gibt es weiterhin viele Fragen, die den Sicherheitsbehörden gestellt werden sollten. Wir hoffen, dass die Redaktionen das nun endlich machen werden“, so Kortmann.

Die Betroffenenberatung steht solidarisch an der Seite der Familie und Freund*innen von Lamin Touray und den Aktivist*innen der Zivilgesellschaft.

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Marie Kortmann
Betroffenenberatung Niedersachsen
Beratung bei rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt

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